Diese Seite soll zum Nachdenken und zur Selbstreflexion anregen … sie erhebt keinesfalls Anspruch auf Wahrheit oder Vollständigkeit oder gar auf eine theologisch fundierte Abhandlung.
Im Mittelpunkt aller Kirchen bzw. Glaubensgemeinschaften und ihrer Lehre stehen zentrale Fragen des Menschseins, die Frage nach der Identität des Menschen, seiner Beziehung zu Gott/zum Göttlichen, nach einer umfassenden Sinn- und Zielperspektive für sein Leben sowie die Frage nach seiner spezifischen Verantwortung in der bzw. für die Welt. Die christlichen Kirchen berufen sich dabei insbesondere auf Jesus, auf seine Worte, sein Wirken, sein Handeln, seine Werte und Leitlinien menschlichen Verhaltens sowie das von ihm vermittelte Gottesbild.
Diese inhaltlichen Fragen sowie die prozessuale Frage, wie eine Kirche/Glaubensgemeinschaft zu Antworten auf diese inhaltlichen Fragen kommt, werden von einzelnen Glaubensgemeinschaften/Kirchen unterschiedlich beantwortet.
Zu den inhaltlichen Fragen (was glaube ich, was glauben wir? wie bewerte(n) ich/wir? wie handeln wir bzw. wie wollen/sollen wir handeln?):
Die wenigsten Menschen werden sich zu 100% mit den Werten und Verhaltensleitlinien einer bestimmten kirchlichen Gemeinschaft/Kirche identifizieren können – selbst wenn diese Gemeinschaft diese Werten und Verhaltensleitlinien verbindlich (als „dies ist so zu glauben!“) vorgibt.
In der Folge stellt sich die Frage, wie groß die Diskrepanz zwischen „offizieller Kirchenlehre“ und „eigenem Glauben“ ist bzw. sein darf:
Herrscht zumindest in wesentlichen Punkten, im „Notwendigen“ (wie immer dies von der Glaubensgemeinschaft und/oder dem Einzelnen definiert wird), Übereinstimmung, so wird man sich als Teil einer Glaubensgemeinschaft sehen und in dieser bleiben bzw. in diese eintreten können.
Bei großen Abweichungen zwischen der Lehre der Kirche und den eigenen Werten, dem eigenen Glauben, kann man (dennoch) in einer Glaubensgemeinschaft leben, deren Werte, Normen und Regeln man dann aber in weiten Teilen nicht akzeptiert, die man für sich persönlich als nicht relevant ansieht, denen man sich nicht beugt, indem man letztlich anders wertet und handelt („… die Kirche sagt/fordert das zwar, aber ich denke und mache das anders …“ – man denke als röm. Katholik nur an die Beispiele „Sonntagsgebot“ oder „direkte Empfängnisverhütung“). Das heißt man bleibt Teil der Gemeinschaft, deren Werte und Regeln man aber (in einigen oder weiten Teilen) nicht akzeptiert - bzw. man will Teil der Kirche bleiben; möglicherweise schließt die Gemeinschaft den Kritiker aber aus. Dabei kann man die Hoffnung haben und sich dafür einsetzen und engagieren, dass sich die Werte, Normen und Regeln der Glaubensgemeinschaft so ändern, dass man selbst sie (besser) akzeptieren kann. Hierbei folgt die Frage, welchen Zeithorizont man sich dafür setzt: „… ich versuche, meinen Einfluss geltend zu machen und die Kirche mit zu gestalten und zu reformieren, und ich … möchte die Veränderungen innerhalb des nächsten Jahres sehen …/ … möchte die Veränderungen noch (er)leben … / ... bin zufrieden wenn bzw. hoffe dass mein Engagement zu einer Veränderung innerhalb der nächsten 100 Jahre führt …“
Oder man kann bewusst eine Glaubensgemeinschaft wählen, deren Werte, Normen und Regeln der eigenen Überzeugung mehr entsprechen (vielleicht immer noch keine hundertprozentige Übereinstimmung, aber doch eine sehr weitgehende).
Man kann sich also fragen: Wie groß ist die „Schnittmenge“? So … oder so … oder so….?
Warum wählt man eine bestimmte Religionsgemeinschaft bzw. bleibt man selbst dann noch dieser treu, wenn die "Schnittmenge" sehr klein ist, man also in vielen Fragen des Glaubens keine Übereinstimmung zwischen einerseits der eigenen Überzeugung, der eigenen Interpretation von Jesus' Lehre und andererseits der Lehre bzw. dem Handeln der jeweiligen Kirche sieht?
Alle christlichen Kirchen berufen sich auf Jesus, auf seine Worte, sein Wirken, sein Handeln, seine Werte und Leitlinien menschlichen Verhaltens sowie das von ihm vermittelte Gottesbild.
Aber was sind Jesus’ Werte und Verhaltensrichtlinien?
Entsprechen die Kirchen und Glaubensgemeinschaft diesen?
Auch wenn manche Glaubensgemeinschaften vorgeben, dies sehr genau zu wissen, scheint mir dies keineswegs so eindeutig und klar zu sein, denn:
Neben diesen bzw. als Folge dieser inhaltlichen Fragen ergeben sich prozessuale Fragen:
Wie legt die Kirchengemeinschaft ihre inhaltliche Ausrichtung fest? Wie kommt eine Kirche/Glaubensgemeinschaft zu Antworten auf diese inhaltlichen Fragen? Wie wird festgelegt, was „wahr“ ist, was zu glauben ist, wie der Gläubige sich zu verhalten hat? Wie geht die Kirche mit denen um, die „abweichen“, wie mit Kritikern? Auch diese Prozessfragen werden von einzelnen Glaubensgemeinschaften/Kirchen unterschiedlich beantwortet, so dass der Gläubige gut daran tun, auch diese Prozesse zu hinterfragen: „Warum soll ich glauben, was die Kirche lehrt? Welche Legitimation hat die Kirche, den Gläubigen vorzuschreiben, was zu glauben und wie zu handeln ist? Auf Basis welcher Prozesse kam sie dazu?“
Aus jeder Spalte lässt sich eine der unterschiedlichen Optionen auswählen, und durch Kombination der Spalten ergeben sich mögliche Prinzipien der Festlegung kirchlicher Werte und Verhaltensrichtlinien – die wir in den unterschiedlichen Kirchen auch so oder zumindest ähnlich wiederfinden.
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Die alt-katholische Prozessgestaltung könnte man beispielhaft wie folgt charakterisieren (Basis = insbesondere die SGO/Synodal- und Gemeindeordnung):
Ein von den Gemeinschaftsmitgliedern gewähltes Leitungsgremium (die Synode) koordiniert und beschließt demokratisch in den wichtigsten Grundfragen wie die Regeln des Umgangs miteinander und gegenüber Dritten sind (Zitat SGO: „Die Synode ist die Vertretung der gesamten Ortskirche. Sie kommt zusammen, um deren Leben und Wirken in geschwisterlicher Aussprache darzustellen und zu fördern. Sie beschließt als oberstes Organ die Ordnungen und Satzungen des Bistums und hat in allen die Ortskirche betreffenden Fragen die letzte Entscheidung, ausgenommen die Bereiche, die der Bischöfin oder dem Bischof kraft Amtes (§§ 20 – 24) vorbehalten sind.“). Wer sich nicht daran hält, der wird bei bestimmten Vergehen nach Scheitern eines eventuellen Schlichtungsverfahren (siehe Schlichtungsordnung) ermahnt und ggf. bestraft (siehe z.B. Disziplinarrecht der Geistlichen und Synodalgerichtsordnung (DGS)), bleibt aber dennoch zur Gemeinschaft / zur Eucharistie eingeladen.
Oder: Wer die alt-katholische Kirche verlässt, verliert seine Rechte und Pflichten, wie sie die Synodal- und Gemeindeordnung vorsieht (z.B. das Wahlrecht oder das Recht auf Seelsorge). Strafen im eigentlichen Sinn (z.B. Exkommunikation) gibt es aber nicht.
Nein! Die Kirche in der Nachfolge Jesus war bereits in den ersten Jahrhunderten von verschiedenen Strömungen, Lehren und Philosophien geprägt (z.B. Gnostiker, Arianer, Thomas-Christen). Es gab fünf christliche Patriarchate, denen jeweils die lokalen Metropoliten, Erzbischöfe und Bischöfe unterstellt waren: Rom, Konstantinopel, Alexandria, Antiochia und Jerusalem. Daher gab es mehrere Konzile zu Fragen des Glaubens: 325 in Nizäa (Kleinasien), Konstantinopel 381, Ephesus 431, Chalcedon 451, Konstantinopel 553, Konstantinopel 680 und Nizäa 787. Zu bedenken ist, dass die Entscheidungsträger dieser Konzile bereits viele Jahrhunderte von Jesus entfernt dessen Lehren zu interpretieren suchten und dabei Weltanschauungen hatten, die heute als überholt bzw. falsch gelten. Auf dem Konzil von Ephesus spaltete sich die Assyrische Kirche des Ostens ab, auf dem Konzil von Chalcedon die Altorientalische Kirche (heute z.B. die Kopten). Doch bereits 1054 kam es zu einem großen Schisma (einer Kirchenspaltung; Morgenländisches Schisma) zwischen der orthodoxen und der römisch-katholischen Kirche, das sich in den Jahrhunderten darauf noch verschärfte.
1517/1518 führte der Versuch Martin Luthers, eine Reformation der katholischen Kirche zu erreichen (insbes. gegen die Praxis der Ablassbriefe), zu einer weiteren Kirchenspaltung. Auch daraus entwickelten sich verschiedene Kirchen (anglikanisch, lutherisch, calvinistisch etc.)
Unzweifelhaft dürfte heute sein, dass zentrale Aspekte der damaligen Lehre der römisch-katholischen Kirche (ebenso wie andere christlich begründete, negative Auswüchse des Mittelalters, wie Kreuzzüge. Hexenverbrennungen oder die Prozesse gegen Galileo) nicht dem Geiste Jesu entsprach.
Von Dezember 1869 bis Oktober 1870 fand das von Papst Pius IX. einberufene sog. Erste Vatikanische Konzil (Vaticanum I) statt, das von der römisch-katholischen Kirche als das 20. Ökumenische Konzil angesehen wird. Ziel des Konzils sollte die Abwehr moderner Irrtümer und die zeitgemäße Anpassung der kirchlichen Gesetzgebung sein. Es verkündete im Sommer 1870 ein Lehrdokument über den katholischen Glauben, den päpstlichen Jurisdiktionsprimat (der Papst hat unmittelbare Befehlsgewalt über alle Christen) und erhob die Lehre von der Unfehlbarkeit des Papstes „bei endgültigen Entscheidungen in Glaubens- und Sittenlehren“ zum Dogma. Um nicht gegen das Dokument stimmen zu müssen, verließen ca. 60 Bischöfe vorher die Stadt. In der Sitzung stimmten 533 für die Definition der päpstlichen Unfehlbarkeit, nur 2 stimmten dagegen. In der Sitzungspause begann der Krieg zwischen Frankreich und Preußen, worauf das Königreich Italien den Kirchenstaat besetzte. Das Konzil wurde nicht wieder aufgenommen und am 20. Oktober 1870 unbestimmt vertagt. Viele Gegner der beiden neuen Dogmen unterwarfen sich alsbald; diejenigen, die diese neuen (und nicht alten, in der Nachfolge Jesu begründeten) Glaubenssätze nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren konnten und diese ablehnten, wurden exkommuniziert. Aus ihrem Reihen entstand die alt-katholische Kirche.
Somit gibt es heute mehrere Kirchen in der Nachfolge Jesu, die sich – mehr oder weniger – an dessen Leben und Lehren orientieren und – mehr oder weniger – diese interpretiert und ausgelegt haben.
Oder einfach gesagt: Nicht nur römisch-katholische, sondern auch alt-katholische oder protestantische Christen kommen in den – wie auch immer sich gestaltenden - „Himmel“ …!
In diesem PDF-Dokument können Sie mehr dazu erfahren:
"Sehr sympathisch hat unser Bischof Matthias Ring in seinem Hirtenbrief „Ich + Wir" das Verhältnis von persönlichem und kirchlichem Glauben skizziert: Beide sollen aufeinander bezogen, sie müssen aber nicht deckungsgleich sein. Ich nehme das zum Anlass, mir drei Fragen zu stellen: Was lehrt meine Kirche? Was glaube ich? Wie verhält sich beides zueinander?
Meine Kirche lehrt die allgemein anerkannten Glaubensbekenntnisse und Konzilsentscheidungen des ersten Jahrtausends. Aber was bedeutet das? Lehrt die Kirche beispielsweise wirklich, Jesus Christus sei „geboren von der Jungfrau Maria", wie es im Apostolischen Glaubensbekenntnis heißt?
Ja, lautet eine geläufige Antwort, nur sei diese Aussage natürlich nicht biologisch zu verstehen. Genau so war sie ursprünglich aber sehr wohl gemeint. Nun mag dieses Dogma eher unwichtig sein. Aber wenn die Kirche einerseits daran festhält, es aber andererseits so vage interpretiert, dass es inhaltsleer wird: Warum sollte sie das anders halten mit Glaubenssätzen wie: Christus ist auferstanden? Dass uns ein ewiges Leben erwarte: Warum sollte nicht auch das metaphorisch gemeint sein?
Die Dogmen gelten unverrückbar, aber sie können alles und nichts bedeuten … Meine Kirche: Was lehrt sie denn nun …?
Was glaube ich?
Mein Glaube steht und fällt mit der Antwort auf die Frage: Gibt es Bewusstsein unabhängig von Hirnfunktionen?
Hochkarätige Wissenschaftler sagen heute: Das Bewusstsein ist das Gehirn. Ein Leben nach dem Tod ist deshalb ausgeschlossen. Und sie vertreten das nicht etwa als persönliche Meinung, sondern als mittlerweile zweifelsfrei bewiesene Tatsache. …
Wenn Naturwissenschaftler mir erklären, dass die Vorstellung von einem Leben nach dem Tod widerlegt sei: Was helfen mir da christliche Dogmen aus dem ersten Jahrtausend, wie auch immer interpretiert? Ich halte etwas anderes dagegen. Ich bekenne - und es kann an dieser Stelle nicht mehr als ein Bekenntnis sein:
Es gibt Indizien für ein Bewusstsein unabhängig von Hirnfunktionen und für ein Leben nach dem Tod. Solche Indizien finde ich in Berichten Nahtoderfahrener, aber auch in anderen Berichten über Phänomene, die man „unerklärlich" nennt. …
Wie verhält sich beides zueinander?
Gibt es Bewusstsein ohne Hirnfunktionen? Auch der Glaube der Kirche steht und fällt mit der Antwort auf diese Frage. Fragen wir konkreter: Gibt es in der Welt, in der wir leben, Indizien für ein Bewusstsein ohne Hirnfunktionen? Die Auseinandersetzung darum wird heute mit sehr harten Bandagen geführt. Wo steht da meine Kirche?
Ich kann mich täuschen, aber mein Eindruck ist: Sie hält sich aus dem Konflikt heraus. Dafür hätte sie gute Gründe ... Aber diese Zurückhaltung hat für mich eine Kehrseite: Für die Aufrechterhaltung meines Glaubens an Gott, an einen Sinn des Lebens und an ein Leben nach dem Tod spielt die Kirche keine Rolle mehr.
Meine Kirche bietet mir einen schönen Rahmen für gemeinsames Beten und Singen, wohltuende Anregungen und Geselligkeit, sie engagiert sich sozial und stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Dafür bin ich ihr dankbar. Auch fördert die Atmosphäre im Gottesdienst immerhin meine gefühlsmäßige Erwartung, dass es um uns Menschen mehr sein muss, als die reduktionistische Wissenschaft zugestehen will.
Aber alles, was ich im Gottesdienst zu erahnen meine, lässt sich rein innerweltlich erklären. Die reduktionistische Wissenschaft behauptet, dass dies auf alles zutrifft, was Menschen überhaupt erfahren können. Wenn die Kirche ihr hier nicht widerspricht: Was kann sie dann zu meinem Glauben an eine transzendente Wirklichkeit noch beitragen?"
Soweit dieser sehr interessante Beitrag von Gregor Bauer.
Und wenn Sie unsere Zeitschrift "Christen Heute", mit vielen weiteren Anregungen und Informationen, über unsere Gemeinde beziehen möchten, dann wenden Sie sich gerne an uns (siehe "Kontakt").
Prof. Dr. Torsten Kirstges