Je nach Bundesland gibt es in Deutschland eine unterschiedlich große Anzahl an arbeitsfreien Feiertagen, die nicht an einen Sonntag gebunden sind: In Sachsen sind es bis zu zwölf freie Tage, in Niedersachsen einige weniger. Im sächsischen Landtag wurde vor einiger Zeit eine Petition (Nr. 06/01454/8) eingebracht, die die Abschaffung aller gesetzlichen Feiertage - mit Ausnahme des Tages der Deutschen Einheit - fordert. Ihr wurde (im Mai 2017) nicht stattgegeben. Im Begründungstext heißt es u.a.: „Feiertage sind für Beschäftigte grundsätzlich arbeitsfrei. Nach den Ladenöffnungszeitgesetzen der Länder müssen Verkaufsstellen an Feiertagen mit Ausnahmen geschlossen sein. Lastkraftwagen dürfen mit Ausnahmen nach der Straßenverkehrsordnung an Feiertagen nicht verkehren. Die gesetzlich anerkannten Feiertage kirchlicher Herkunft sind Ausdruck des historisch-kulturellen Erbes der Bundesrepublik Deutschland und der einzelnen Bundesländer und sind größtenteils christlichen Ursprungs. Die konkrete Auswahl der gesetzlich anzuerkennenden Feiertage ist dem Landesgesetzgeber überlassen, hat jedoch einen unantastbaren Kernbestand zu gewährleisten.“ „Dass der Landesgesetzgeber in Sachsen bei der Bestimmung der gesetzlich anzuerkennenden Feiertage der gewachsenen und für weite Teile der Bevölkerung bis heute fortdauernden besonderen Bedeutung des Christentums Rechnung trägt, ist nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 27. Oktober 2016, Az.: 1 BvR 458/10) Ausdruck der Prägekraft der Geschichte, führt aber nicht zu einer verfassungswidrigen Privilegierung einer „Mehrheitsreligion". Die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu der Feiertagsanerkennung und dem Feiertagsschutz ermöglicht dem Freistaat Sachsen keine inhaltliche Identifizierung mit bestimmten Religionen oder Konfessionen. Wie das Bundesverfassungsgericht betont, gewährleisten die gesetzlichen Feiertage ein Mindestmaß an synchroner Taktung des sozialen Lebens und somit eine zunehmende soziale Bedeutung. Der gesetzliche Feiertagsschutz ermöglicht Ruhe, Erholung und Zerstreuung, unabhängig von religiösen Zugehörigkeiten.“
Es gibt also, aus der christlichen Tradition unseres Landes heraus, eine Reihe von feiertagsbasierten arbeitsfreien Tagen (je nach Bundesland mehr oder weniger, denken wir nur an den unterschiedlich gehandhabten Tag für Fronleichnam). Diese dienen heute aber mehr einer „synchronen Taktung des sozialen Lebens“, als Garant für Ruhe, Erholung und Zerstreuung, unabhängig von einer religiösen Zugehörigkeit, da heute kaum ein Deutscher die kirchlich bedingten freien Tage für einen Kirchenbesuch oder ein kirchliches Engagement nutzt - sonst müssten die Kirchen am Ostermontag oder am 2. Weihnachtstag ja rappelvoll sein. Gerade in Sachsen sind etwa 3/4 der Bevölkerung nichtchristlich. Und auch Moslems, Buddhisten und Atheisten genießen ja die christlich bedingten freien Tage - haben aber an ihren religiösen Festtagen (soweit sie auf einen Werktag fallen) nicht arbeitsfrei. Sie dürfen sich freuen, an christlichen Festtagen arbeitsfrei zu haben - ohne einen Bezug zum Grund der Arbeitsbefreiung zu haben. Die meisten in Deutschland lebenden Menschen, auch christlich getaufte, wissen heute gar nicht mehr, warum sie an manchen Tagen ausschlafen dürfen (vgl. Gitte Connemann, CDU).
Ich plädiere daher für eine völlige Abschaffung von arbeitsfreien Tagen, die mit christlichen Feiertagen begründet werden! Also:
Staatlich vorgegebene, feiertagsbedingte arbeitsfreie (Werk-)Tage für Jedermann (mit arbeitsnotwendigen Ausnahmen, denken wir an Feuerwehr, Krankenhäuser oder Polizei) sollen alleine aus säkularen Gründen bestehen - wie z.B. der „Tag der deutschen Einheit“ oder ein (als arbeitsfreier Feiertag neu zu schaffender) „Holocaust-Gedenktag“. Fraglich ist, ob der 1. Mai ein grundsätzlich arbeitsfreier Feiertag sein soll, da er ein Tag der Arbeiter-/Arbeitnehmerbewegung und kein staatlich begründeter Feiertag ist (und übrigens erst durch die Nationalsozialisten zum gesetzlichen Feiertag erklärt wurde).
Diese Forderung nach Abschaffung von religiös erklärten Freitagen bedeutet aber nicht, dass es dem einzelnen Bürger verwehrt sein soll, die christlichen (oder anders motivierte) Feste durch einen arbeitsfreien Tag zu begehen und zu würdigen! Ich plädiere nämlich gleichzeitig dafür, dass jedem Bürger über seinen üblichen (und dem gesetzlich oder tarifvertraglich garantierten) Urlaubsanspruch hinaus eine bestimmte Anzahl von Tagen zur Ausübung von religiösen, sozialen, gesellschaftlichen oder erholungsorientierten Aktivitäten zustehen soll - gesetzlich garantiert. Nennen wir diese Tage dann nicht „arbeitsfreie Feiertage“, sondern z.B. „Tage von Besinnung, Sozialengagement und Ehrenamt“!
Nehmen wir an, jedem Bürger würden pro Jahr zwölf solcher Tage zugestanden, die jeder einzelne gemäß seinen persönlichen Präferenzen terminieren könnte. Dann kann der Christ alle ihm wichtigen christlichen Feiertage würdigen; der Moslem kann das Opferfest, den ersten Ramadan-Tag oder das Fastenbrechenfest arbeitsfrei genießen, der Jude aber z.B. Jom Kippur oder Rosch Haschana. Der Rheinländer kann den Rosenmontag arbeitsfrei genießen (was ohnehin schon in vielen Städten praktiziert wird) und am Aschermittwoch seinen Rausch ausschlafen, der Augsburger sein Friedensfest feiern (was ohnehin schon als einzigartiger Feiertag begangen wird), der Arbeiter bzw. Gewerkschaftler den 1. Mai zelebrieren, und wenn der Basketballverein sein soziales Miteinander an einem bestimmten Tag gemeinsam begehen möchte, dann sei ihm dieses mit einem gemeinsam abgestimmten arbeitsfreien Tag ermöglicht. Damit wird das gewünschte Mindestmaß an für den Einzelnen relevanter (!) „synchroner Taktung des sozialen Lebens“ (s.o., Bundesverfassungsgericht) erreicht. Es muss nämlich nicht ganz Deutschland gleich takten, das tut es ohnehin schon lange nicht mehr, sondern eine den Lebensumständen des Einzelnen und seiner sozialen Gruppen (Kirchengemeinde/Glaubensgemeinschaft, Sportverein, Umweltinitiative, Gewerkschaft, Familie, …) entsprechende synchrone Taktung ist sinnvoll.
Natürlich wären Detailfragen noch zu klären, z.B. wie viele arbeitsfreie „Tage von Besinnung, Sozialengagement und Ehrenamt“ einem Arbeitnehmer zustehen, der nicht das ganze Jahr über beschäftigt ist (Vorschlag basierend auf zwölf solcher Tage pro Jahr: rechnerisch einer je Beschäftigungsmonat), wann (mit welchem zeitlichen Vorlauf) die kalendarische Festlegung der Tage zu erfolgen hat (Vorschlag: bis zum Ende des Vorjahres oder mit jeweils mindestens sechs Monaten Vorlauf bzw. unmittelbar bei einem Arbeitgeberwechsel), ob und unter welchen Voraussetzungen Unternehmen ihrer Belegschaft arbeitsfreie Tage fest vorgeben dürfen, um Betriebsabläufe nicht zu gefährden (Vorschlag basierend auf zwölf solcher Tage pro Jahr: in produktionsbedingt begründeten Fällen dürfen Unternehmen bis zu sechs Tage für die gesamte Belegschaft festlegen, ggf. basierend auf einem Mehrheitsentscheid der Arbeitnehmer), ob diese Tage auch zusammenhängend (wie Urlaub) genommen werden dürfen (Vorschlag: klar, warum nicht) etc. Zu kompliziert, zu viel Unruhe? Nein, denn auch bei der normalen Urlaubsgewährung sind diese Aspekte und Planungserfordernisse bereits heute relevant, und selbst in Schule und Studium kommt es immer wieder zu einzelnen freien Tagen, zu „Brückentagen“ oder zu individuellem Fehler Einzelner (und sei es krankheitsbedingt). Und Menschen, die aus welchen Gründen auch immer an den bislang feiertagsbedingten Freitagen dennoch arbeiten müssen, gibt es auch jetzt schon.
Mit diesem System der „Tage von Besinnung, Sozialengagement und Ehrenamt“ würde auch der dritten, eigentlich vorausgehenden Forderung entsprochen: Der weitestgehenden Trennung von Staat und Religion! Der Staat garantiert und ermöglicht ganz praktisch die Religionsfreiheit und -ausübung, ohne aber religiös motivierte Festtage als arbeitsfreie (Werk-) Tage zu bestimmen. Gerade angesichts der multikulturellen Entwicklung Deutschlands erscheint alleine dies mir der richtige Weg zu sein. Der Laizismus Frankreichs könnte uns hier ein gutes Vorbild sein. Selbstverständlich gehört dazu in der Folge auch die Abschaffung der Kirchensteuererhebung oder die Verbannung von religiösen Symbolen aus staatlichen Räumlichkeiten (insbes. Schulen) durch den Staat … aber das ist ein weiteres Thema …
Prof. Dr. Torsten H. Kirstges
6.5.2018
(Der Text gibt die persönliche Meinung des Autors wieder, nicht aber die Meinung der Gemeinde oder der Alt-Katholischen Kirche.)
Update Juni 2019:
Dass diese Gedanken gar nicht so abwegig für eine praktische Umsetzung sind, zeigt das Beispiel der niederländischen Firma HousingAnywhere, die 2019 für ihre Mitarbeiter die Pflicht des arbeitsfreien Tages zu den gesetzlichen Feiertagen abgeschafft hat. Die Mitarbeiter dürfen nun selbst entscheiden, ob sie an den gesetzlichen Feiertagen zu Hause bleiben und stattdessen an einem anderen Tag freinehmen - sei es aus religiösen, kulturellen oder privaten Gründen. Hintergrund und Auslöser war, dass viele Feiertage für viele der 90 Mitarbeiter aus 28 Nationen, die verschiedene religiöse und kulturelle Hintergründe haben, keine Bedeutung mehr haben. Alle Mitarbeiter stimmten für dieses neue Arbeitszeitmodell.
Hier geht es zu dem ausführlichen Bericht der Süddeutschen Zeitung zu diesem Beispiel der Firma, die die gesetzlichen Feiertage für sich abgeschafft hat:
https://www.sueddeutsche.de/karriere/feiertag-freiwillig-arbeiten-1.4499243
Update Mai 2024:
Sechs Jahre nach meinen vorstehenden Ausführungen zur Abschaffung von kirchlichen Feiertagen kommt dieses Thema in den Medien hoch. Die Süddeutsche Zeitung verfasst dazu einen Bericht, der Anlass für diverse Leserbriefe wird. Darin wird sich u.a. ebenso für eine Abschaffung von kirchlichen "Muss-Feiertagen" ausgesprochen, bei gleichzeitiger Einführung von "Kann-Feiertagen" basierend auf den Wünschen diverser Religionen. An diesen Kann-Feiertagen "hätte jeder Arbeitnehmer nach seiner freien Wahl Anspruch auf bezahlten Urlaub. Um allzu großem Hin und Her vorzubeugen, könnte man verlangen, dass ein Arbeitnehmer "seine" Feiertage mit Abschluss des Arbeitsvertrages bekannt gibt. An den Schulen sollte man es sinnvollerweise anders machen: Schulleitung und Elternschaft sollen gemeinsam beschließen dürfen, an welchen der Kann-Feiertage der Unterricht ganz ausfallen soll. Das könnte zum Beispiel an Schulen mit sehr vielen muslimischen Kindern dazu führen, dass an einzelnen muslimischen Feiertagen alle Kinder und auch die Lehrer freihaben. Der Vorteil dieser Neuregelung wäre, dass die Christen und Traditionalisten sich kaum beklagen könnten, die anderen großen Religionen aber endlich die Anerkennung fänden, die ihnen längst zugestanden hätte." (Zitat aus einem Leserbrief von Axel Lehmann in der Süddeutschen Zeitung vom 29.5.2024).
Na, mal schauen, ob dieses von mir 2018 erstmals formulierte Gedankengut in einigen (vielen?) Jahren Einzug in die Politik findet und gesellschaftliche Realität wird ...
Der vorstehende Beitrag von Prof. Dr. Torsten Kirstges wurde u.a. inspiriert durch einen Gastkommentar „Sankt Nimmerlein“ von Frau Silke Niemeyer, evangelische Pfarrerin im Münsterland, in der Süddeutschen Zeitung vom 9.5.2018. Dieser ist hier nachlesbar:
Zum Beitrag von Prof. Dr. Kirstges nahm Frau Niemeyer daraufhin wie folgt Stellung, woraus sich ein interessanter Gedankenaustausch ergab (12.5.18 bis 15.5.18), der hier in Auszügen wiedergegeben werden soll:
Sehr geehrter Herr Prof. Kirstges,
Sie formulieren eine pointierte Gegenposition zu der Meinen. Man kann natürlich so eine komplette Umkrempelung bestehenden Rechts und gewohnter Traditionen vorschlagen; es kann inspirierend sein für
gute Neuerungen. Warum nicht? Nur: Es ist ja nicht so, dass Sie dafür viele Bürger gewinnen können. Der Mensch ist nämlich ein Gewohnheitstier. Und Feiertage sind Symbole und Räume für schöne
Gewohnheiten. Auch wenn die meisten nicht mehr viel mit dem Christentum zu tun haben, haben sie die gewohnte Taktung des Jahrs mit den kollektiven Feiertagen sehr gern.
Mit Ihrem Statement gehören Sie zu einer sehr kleinen Minderheit, die sich zu den Feiertagen zunehmend massiv bemerkbar macht und dadurch vermehrt Sichtbarkeit in den Medien gewinnt. Die Deutschen
mögen ihre Feiertage aber, gerade weil sie sie inzwischen mit anderen Inhalten, Bräuchen, Familienritualen etc. gefüllt haben, die ihnen Spaß machen. Wer sie ihnen nimmt, macht sich unbeliebt, das
weiß auch die Politik und hat nur mäßiges Interesse daran, hier etwas zu ändern, und schon gar keine Neigung, einen komplett neuen Feiertags-Wurf zu machen.
Sie trauen sich echt was! Weihnachten abschaffen, Ostern, all die schönen Brückentage absaufen lassen … Jeder sucht sich seinen persönlichen Feiertag: Fritz den Tag des Sports und Franz bleibt beim
Vatertag, Hanni geht zur Maidemo und Nanni feiert Weltfrauentag … und weil Oma und Opa traurig sind, dass zu Weihnachten keiner mehr kommt, nehmen sie alle zusammen den Tag der Familie. Obwohl: das
bleibt natürlich frommer Wunsch in der verdichteten Arbeitswelt, weil es ja oft schon nicht hinhaut, alle Urlaubstage zu nehmen. Schöne neue Welt: jeder macht, was er will, aber keiner weiß mehr
recht, was er will, weil es so eine einsame Angelegenheit ist. Die anderen haben ja keine Zeit, weil sie arbeiten und einkaufen müssen. Das ist nicht die Gesellschaft, in der ich leben möchte, und
bis jetzt die meisten anderen zum Glück auch nicht.
Das sind so die Gedanken, die mir nach der Lektüre Ihrer Mail kommen.
Ich bin völlig anderer Meinung als Sie, aber gerade das macht die Diskussion ja interessant, und so danke ich Ihnen Ich herzlich für Ihr Interesse und Ihr Echo auf mein Stück.
Mit freundlichen Grüßen vom Münsterland in den Norden
Silke Niemeyer
Kirstges antwortet:
Liebe Frau Niemeyer,
herzlichen Dank für Ihr Feedback. Nun, ich denke nicht, dass ich mich hier viel traue oder gar mutig mit meinen Thesen bin: Diese dürften kaum gelesen/wahrgenommen werden und schon gar nicht - noch zu meinen Lebzeiten erfahrbar - praktische Konsequenzen haben. Aber ich denke, im Land der Dichter & Denker ist es legitim und angebracht, solche Diskurse anzustoßen (gerade angesichts der bayerischen Kreuze-Diskussion).
Ihre Position kann ich gut nachvollziehen. Allerdings argumentieren (auch) Sie weniger damit, dass unser Land ja christlich ist und die Menschen an den kirchlichen Feiertagen bitteschön in die Kirche gehen sollten, sondern Sie betonen eben die heute gebräuchlichen anderen Inhalte (so wie das Bundesverfassungsgericht).
…
…
Herzliche Grüße
Torsten Kirstges
Niemeyer antwortet:
….
Aber was mich wirklich interessiert: Wie kommen sie als altkatholischer Christ, der in der Gemeinde engagiert ist, zu dieser völligen Aufgabe unserer kirchlichen Feste als gesetzliche Feiertage und zu Ihrer Sympathie für den französischen Säkularismus? Ich gehöre nicht zu denen, die aus Angst Bedeutung zu verlieren, dauernd die Unterstützung des Staates einfordern, und ich habe keine Angst davor, dass manche unserer Feiertage Arbeitstage werden könnten. Aber ich möchte keine Gesellschaft, die völlig auf Individualismus und Religionslosigkeit setzt. Das französische Modell zeigt im Moment seine Schwächen, weil es keine Integrationskraft hat. Und ich finde, dass wir uns als Christen gegen die Auflösung der Lebensrhythmen und die Enteignung kollektiver Zeit stellen müssen. Nicht weil die Menschen bitteschön in die Kirche gehen sollen, sondern weil der Gedanke des Sabbat unsere biblisch sozialethische Vorstellung für die Bedingung von erfülltem und glücklichem Leben ist.
…
Kirstges antwortet:
…
Wenn man alle die Diskussionen und Probleme sieht, die sich aus der Verknüpfung von Staat und Religion ergeben (aktuell: Bayern- Kreuzdiskussion; aber auch Kopftuchdiskussionen sowie schlimmere Auswüchse auf Basis anderer Religionen in anderen Staaten), wenn man Deutschland (ob man es so möchte oder nicht) als Multi-Kulti- und Multi-Religions-Gesellschaft akzeptiert, und wenn man nüchtern sieht (was Sie ja auch sehen), dass die christlichen Feiertage heute von den meisten Deutschen losgelöst von ihrem Ursprung genutzt werden, dann kommt man in der Folge zu dieser Forderung der Entkopplung. Damit schadet man der Religion m.E. nicht, sondern man wertet sie auf, da sie nunmehr bewusst vom Einzelnen gewählt werden muss. Ich müsste mir also überlegen, ob ich den Ostermontag frei haben will oder lieber den Rosenmontag (wobei bei z.B. zwölf Besinnungstagen beides ginge … doch letztlich wäre es ein Abwägen). Es ist nicht die Religionslosigkeit der Gesellschaft (oder die „Sabbat-Losigkeit“ oder die Gemeinschaftszeitlosigkeit) mein Ziel; ganz im Gegenteil möchte ich eine bewusste Wahl durch den Einzelnen auch von Freitagen für die Religion. Der Staat möge Religionsfreiheit und –ausübung garantieren, ohne sich selbst durch die Festlegung von Feiertagen (oder dem Gebot von anderen religiös bedingten Verhaltensweisen) einzumischen. Werte und Gemeinschaftsgefühl liefern unsere christlichen Religionen den meisten Deutschen schon lange nicht mehr, denn sie kennen diese kaum, sind nicht christlich getauft und sozialisiert, und/oder nutzen ja nicht die Vermittlungs- und Reflexionsmöglichkeiten (der Gottesdienste etc., so dass der Anteil der praktizierenden Christen so niedrig ist). Wer also seinen Sabbat und sein Gemeinschaftsgefühl in der kirchlichen Gemeinde sieht, der möge diese christlichen Feiertage bewusst dazu wählen. Wer seine Werte und Gemeinschaftsgefühle aber aus anderen Religionen (oder Kreisen oder Aktivitäten) speisen will, dem sei nicht ein christlicher Arbeitsfreitag vom Staat aufgezwungen. Ich könnte mir sehr wohl vorstellen, in einem solchen Staat zu leben … (doch werde ich dies vermutlich nicht erleben …;-)
Niemeyer antwortet:
… Es würde eine unchristliche Enteignung der schuftenden Leute dabei rauskommen, das ist, was mich am meisten stört. ….