Gedanken zum
Der Buß- und Bettag geht auf Notzeiten zurück, in denen die Menschen angesichts von Notständen und Gefahren zu Umkehr, Reue, Besinnung und Gebet aufgerufen wurden.
Nachfolgend einige Gedanken zu diesem Tag und zum Beten allgemein. Möchten Sie mitteilen, warum Sie beten, was Sie beim Beten empfinden etc.? Schicken Sie uns gerne Ihre Gedanken, die wir - auch anonymisiert - publizieren.
Gibt es Gott? Gibt es ein Leben nach dem Tod?
Ein kommunikationstheoretischer Gedankenansatz.
Es gibt Menschen, die beten zu Gott. Oder sie beten zu Heiligen. Meist tun sie dies in der Absicht, etwas zu erbitten. Für andere Menschen. Manchmal auch für sich selbst. Dies umfasst auch die an Gott gerichteten Gebete und Bitten. Selbst das Vaterunser enthält ja viele Bitten, vom erhofften täglichen Brot bis zur Erlösung von dem Bösen. Doch lohnt sich das Beten? Schon die Band BAP hat 1982 getextet: Wenn das Beten sich lohnen würde, was meinst du wohl, wie viel ich dann beten würde …
Damit sich das Beten
lohnen würde, also erhört und zu einer Wirkung führen würde, müsste es eine höhere Macht in einer anderen Wirklichkeit geben. In einem Paralleluniversum. In einer
uns unbekannten Dimension. In einem Jenseits. Im „Himmel“ - außerhalb der uns bekannten Naturgesetze. In einer anderen Welt, die wir nicht wahrnehmen können. Dies ist einerseits
schon sehr fraglich. Andererseits gibt es durchaus Wirklichkeiten, die wir nicht unmittelbar wahrnehmen können. Denken wir nur an Radiowellen, die wir nicht wahrnehmen können, ein
Radioempfänger hingegen sehr wohl.
Sofern es also diese andere Wirklichkeit gibt, müssten wir nach unserem Tod - oder vielleicht sogar schon parallel zu unserem irdischen Leben - dort aufgehoben sein. Ebenso wie zum
Beispiel die Heiligen, um deren Hilfe und Fürsprache wir im Gebet bitten. In welcher Form und in welchem Wesenszustand auch immer, wir müssten dort - nach unserem Tod - präsent
sein.
Als nächste Voraussetzung dafür, dass sich das Beten lohnen würde, müssten unsere Gebete von dieser anderen Wirklichkeit, von dieser Parallelwelt, wahrgenommen werden können. Dies bedingt also, dass es eine kommunikative Schnittstelle zwischen unserer Welt und der anderen Wirklichkeit gibt. Dass die Heiligen, Maria, Jesus oder Gott unsere Bitten wirklich wahrnehmen können.
Als nächste
Voraussetzungen müssten diejenigen, an die wir unsere Bitten und unser Gebet richten, bereit sein, unsere Bitten zu erhören. Sie müsste willens und bereit sein, im Sinne unserer
Bitten tätig zu werden. Da es zum Teil sich widersprechende Bitten derselben oder verschiedener Menschen gibt, wären sie oft in einer schwierigen Entscheidungssituation (so hat in
Kriegen die eine wie die andere Nation Gott um Beistand oder einen Sieg gebeten).
Und schließlich müssten die im Jenseits durch das Gebet angerufenen Mächte eine Einflussmöglichkeit haben; sie müssten in der Lage sein, auf die Geschehnisse in unserer Welt Einfluss
auszuüben. Selbst in so schönen Filmen wie „Ghost - Nachricht von Sam“, „The Sixth Sense“ oder „The Others“ (allesamt sehenswert!) gelingt es den Protagonisten aus dem Jenseits nur mit größter Mühe,
kleinste Effekte in unserer Welt zu bewirken. Oder vermuten wir sogar einen Automatismus? Gebiet rein, Wirkung raus!? Oder wollen wir nur gefallen, einen „Goodwill“
bei diesen Mächten erreichen?
Es erscheint mir ziemlich unwahrscheinlich, dass alle diese Voraussetzungen erfüllt sind. Von daher lohnt es sich vermutlich nicht, Bitten in Form von Gebeten an eine höhere
Macht zu richten, in der Hoffnung, dass diese Erhörung finden und erfüllt werden.
Vielleicht stört man sich am Begriff „lohnen“ - vielleicht müssen sich Gebete ja gar nicht „lohnen“. Selbstverständlich, man kann auch Dinge tun, ohne einen weitergehenden Sinn und Zweck damit zu erreichen. So könnte man auch die Sandkörner am Strand zählen, wenn man Spaß & Freude daran hat.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass Gebete und darin ausgedrückte Bitten völlig
sinnlos sind. Möglicherweise aktivieren sie in uns Kräfte und Fähigkeiten, derer wir uns nicht bewusst sind, eben weil wir sie nicht wahrnehmen können. So kann das Gebet,
ebenso wie andere Maßnahmen, denken wir nur an Meditation, möglicherweise solche Kräfte in uns mobilisieren. Also ist Beten ein Mittel zur Selbsthilfe, zur
Selbstfindung, ebenso wie Meditation, Yoga, Autogenes Training, Tai-Chi etc. Vermutlich noch über diese anderen Techniken hinausgehend, indem das Gebet uns auch den
Blick auf den anderen, auf unseren Nächsten öffnet, an den wir denken, für den wir beten und bitten.
Vielleicht besteht
alleine darin das Prinzip, das wir Gott nennen: Aktivierung der eigenen guten Kräfte mit Blick auf das Gute für den Nächsten. Für Ziele, die aber nicht in uns selbst begründbar und
durch uns selbst erreichbar sind, lohnt sich das Beten somit nicht. Es macht Sinn, dafür zu beten, dass wir in uns und unmittelbar mit uns und um uns herum Frieden schaffen. Unser Gebet kann
uns in diesem Ziel festigen und stärken. Dies vielleicht besonders gut, wenn wir in Gemeinschaft mit anderen, also zum Beispiel im Gottesdienst der Gemeinde, beten. Aber es
wird vermutlich wenig Sinn machen, für den Weltfrieden oder die Genesung eines kranken Menschen (der diese guten Wünsche nicht zu seiner eigenen Stärkung mitbekommt) zu beten und zu bitten. Ich
glaube, dass Beten Sinn macht, wenn es darum geht, sein eigenes Leben zu reflektieren und aus einem guten Geist heraus zu gestalten oder wenn es darum geht, anderen (für diese erkennbar) Zuspruch
zukommen lassen - nicht aber als Mittel zum Zweck, dass irgendwer oder irgendetwas von außen lenkend (und heilend, helfend) eingreift. Zumindest müsste ansonsten, „wenn et bedde sich lohne däät“, der
Weltfrieden längst erreicht sein, so viel wie für ihn schon seit Jahrzehnten und Jahrhunderten gebetet wurde …
Prof. Dr. Torsten H. Kirstges
19.11.2018
(Der Text gibt die persönliche Meinung des Autors wieder, nicht aber die Meinung der Gemeinde oder der Alt-Katholischen Kirche.)
Lohnen – ist für mich der falsche Ansatz.
Ich würde lieber fragen: Beten – was ist das?
Was macht das mit mir?
Lange glaubte ich, beten heißt:
Ich müsste Gedanken von großer Tiefe formulieren,
so wie die Gebete, wie wir sie im Gottesdienst hören;
aber das gelang nicht. Es blieb bei den erlernten Grundgebeten.
Bis in mir die Antwort wuchs: Beten – ist Zwiesprache mit Gott!
Ich darf Gott anvertrauen, was mich bewegt, in Gedanken und Worten.
Darf meine Emotionen mit hineinnehmen, meinen Zorn, meine Trauer.
Darf IHM erzählen von meinen Sorgen, meinen Wünschen, meiner Freude,
und ihn um Hilfe bitten, wenn ich selbst nicht weiter weiß.
Denn ich vertraue darauf, dass Gott, der mich ins Leben gerufen hat,
mir auch hilft, dieses Leben zu gestalten.
Beten
– danken – bitten –
kann ich jederzeit und überall,
doch schön ist es, es in Gemeinschaft zu tun.
Im Gottesdienst – in meditativer Runde -
zur Ruhe kommen – still werden -
hören auf die innere Stimme,
sprechen mit Gott.
So beantworte ich die obige Frage:
Lohnt sich das Beten?
Aus vollem Herzen mit „Ja“.
Ich habe das ganz tiefe Vertrauen,
dass Gott immer mit mir geht,
es gut mit mir meint,
mich versteht,
mich trägt -
durch dieses Leben
in die Ewigkeit.
Marion Baumgärtel
(Der Text gibt die persönliche Meinung der Autorin wieder, nicht aber die Meinung der Gemeinde oder der Alt-Katholischen Kirche.)
Es gibt einen wichtigen Punkt in unseren christlichen Gottesdiensten, der oft von der Vorsteherin oder dem Vorsteher der Liturgie falsch gemacht wird. Der Gottesdienst beginnt, und so ziemlich am Anfang heißt es: „Lasset uns beten!“ Darauf spricht der oder die Pfarrerin gleich das Gebet, doch das ist der größte Fehler, den man in der Liturgie machen kann. An dieser Stelle, nach dem Aufruf, sollte jeder Geistliche eine Pause machen und nichts sagen. Schweigen! Und den Gottesdienstteilnehmern/Innen Zeit zum stillen Gebet lassen. Dann geschieht still und leise der eigentliche Gottesdienst. Die Besucher der Messe, der Andacht, beten, was ihnen wichtig ist. Was jeder auf dem Herzen trägt.
Ich weiß nicht, ob sich immer das erfüllt, was der einzelne Mensch zu seinem Schöpfer sagt, doch die Schriften der Bibel animieren uns, es einfach kindlich zu tun. Die großen Theologen sagen dazu,
dass in diesem Gebet der Mensch einen Schritt des Unmöglichen wagt. Er transzendiert. Einen wichtigen Wunsch auszusprechen, in der Hoffnung, dass er sich erfüllt, obwohl die Realität
oft das Gegenteil beweist.
Trotzdem tun wir es, und sollen uns nicht dabei schämen. Sprich aus, was du willst! Ruf es, schrei es in den Wind, weil du dann im Echo einmal dich ganz selbst erfährst. Du bist es, der das will. Du
ganz und gar.
Und so soll er auch zum Ursprung des Seins gelangen. Als ein Mensch, der nicht vergebens lebt und gelebt hat.
Darum liebe Kolleginnen und Kollegen im geistlichen Amt: Wartet, bevor ihr die Gebete am Sonntag sprecht! In den Gebetspausen hört der liebe Gott die Menschen! Auch eure Gebete!
Soweit einige Gedanken zum Bet-Tag von
Pfarrer Meik Barwisch.
Alt-Katholischer Pfarrer in Bremen und Wilhelmshaven
19.11.2018
(Der Text gibt die persönliche Meinung des Autors wieder, nicht aber die Meinung der Gemeinde oder der Alt-Katholischen Kirche.)